labels to loveFreitag, 22. Mai 2020

Warum Birkenstock die vielleicht coolste deutsche Marke ist

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Als Johann Adam Birkenstock sich 1774 im kirchlichen Archiv der Stadt Langen-Bergheim als „Schuhmacher und Untertan“ eintragen ließ, waren die Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht gegründet, elektrischer Strom noch genauso wenig erfunden wie Laufräder oder Schutzimpfungen ... und selbst Coca-Cola gab es damals noch nicht (was die Vermutung nahe legt, Birkenstock könnte sogar älter sein als der Weihnachtsmann persönlich, aber das steht auf einem anderen Blatt). Sechs Generationen später ist aus der einstigen Schuhmacher-Werkstatt in Hessen ein Weltkonzern mit 800 Millionen Euro Jahresumsatz geworden, dessen Produkte auf internationalen Laufstegen und roten Teppichen gleichermaßen Zuhause sind wie in deutschen Schrebergärten und Hipstervierteln weltweit. Ein fast paradox klingender Erfolg, der auf Schuhen beruht, die gemeinhin als Gesundheitslatschen bezeichnet werden und die in Kombination mit Tennissocken und Rentnerbeinen für (im Ausland liebevoll beschmunzeltes) Deutschtum stehen wie kaum etwas anderes. 

 

Wie kam es zu all dem? Ein gewisser Sebastian Kneipp machte im 19. Jahrhundert die Idee eines starken Fußes als Grundlage für einen gesunden Körper populär Touristen aus ganz Europa erfreuten sich der deutschen Kurbäder mit ihrer Kneipp-Kultur. Das Familienunternehmen Birkenstock, von jeher dem gesunden Fuß verschrieben, gilt als Erfinder des Fußbetts. Einige Generationen nach Johann Adam fertigte und verkaufte Konrad Birkenstock Ende des 19. Jahrhunderts erste flexible Schuheinlagen – damals etwas vollkommen Neuartiges. Sie waren anatomisch geformt und passten sich der Fußform des Trägers an: das Fußbett war geboren. In einer weiterentwickelten Form ist es bis heute das Herzstück einer jeden Birkenstock-Sandale und wird auch für Designer-Kooperationen nicht verändert. Die Konstruktion ist der Trittspur eines Fußes im Sand nachempfunden, was die Fußgesundheit unterstützen und das Wohlbefinden fördern soll. Über Generationen hielten die Birkenstocks von Fachärzten geförderte Vorträge und Schulungen zum Thema gesunden Gehen.

 

In den späten 40er Jahren des 20. Jahrhundert – das Fachbuch „Fußorthopädie – System Carl Birkenstock“ von Konrads Enkel war gerade das am meisten verkaufte Fachbuch für Fußorthopädie – bekamen viele Kriegsheimkehrer von ihren Ärzten Birkenstocks zur Regeneration ihrer Füße empfohlen. Für das Unternehmen folgte die erste Popularitätswelle. 

 

1964 produzierte Karl Birkenstock dann das erste Paar Korksohlenschuhe, wie wir sie heute kennen. Die Schuhe verbreiteten sich zunächst vor allem als Teil der Berufsbekleidung im Gesundheitswesen. Später entdeckte die kalifornische Hippie- und Surfer-Szene die Sandalen für sich. In den 70ern und 80ern waren Birkenstocks vermehrt in der Alternativszene und Friedensbewegung zu finden – und an Sozialkundelehrerfüßen. Wer Birkenstocks trug, sagte der Welt „Ich bin gegen Atomwaffen, industriell verarbeitetes Essen und die Sexualisierung von Frauen“. Die breite Masse trug die bequemen Schlappen mittlerweile auch, allerdings vor allem zu Hause, wo Birkenstocks vermutlich den Niedergang der karierten Pantoffel zu verantworten hatten. 

In den 90ern bemächtigten sich die Grunge-Kids der Generation X des Gesundheitsschuhs, nachdem eine 16-jährige Kate Moss 1990 im Magazin „The Face“ ein weißes Paar Arizona-Sandalen getragen hatte und Marc Jacobs 1992 in einer Kollektion für Perry Ellis Birkenstocks über den Laufsteg schickte. In den Nullerjahren folgten kleinere Hype-Wellen ausgelöst von Heidi Klum, Jude Law und Gwyneth Paltrow. 

2012 folgte der endgültige modische Ritterschlag: Phoebe Philo legte in einer Kollektion für Celine Birkenstock ähnelnde Sandalen mit Fell aus – und trat damit nicht nur die „Ugly-Shoe“-Welle los, sondern inspirierte Designer in allen Ecken der Welt zu ähnlich gemütlichen Entwürfen. Und wäre der Normcore-Trend der 10er-Jahre ohne Birkenstocks nicht auch irgendwie falsch gewesen? Auch wenn das Hamburger Völkerkundemuseum 2014 Birkenstocks in einer Ausstellung typisch deutscher Alltagsgegenstände zeigte – die Sandale hatte sich vom Standard-Schuhwerk für Modeverweigerer längst zum globalen Trendphänomen entwickelt. 2018 würdigte PETA das Unternehmen mit dem Libby Award als „Most Animal-Friendly Shoe Company“.

Birkenstock ist bekannt dafür, nicht mit jedem gerade gehypten Designer eine Collaboration einzugehen. Bis 2013 gab es bei Birkenstock nicht mal eine Marketingabteilung. Absagen an Supreme und Vetements gingen 2018 durch die Presse. Im selben Jahr kooperierte das Unternehmen mit einem anderen Traditionshaus: der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin. Inzwischen wurde mit Birkenstock 1774 eine Plattform für Designer-Kooperationen geschaffen, die schon im Namen klarmacht, dass auch für große Designer nicht am funktionalen Kern eines Birkenstocks – dem Fußbett – gerüttelt wird. Bisher sind daraus Kollektionen mit u.a. Rick Owens, Valentino, Proenza Schouler, Random Identities und 032c entstanden. 

 

Von Natur aus nachhaltig, gesundheitsbewusst und unisex treffen Birkenstocks den Zeitgeist und sind dabei im Kern immer dieselben geblieben. Dieses Festhalten an der Überzeugung vom orthopädisch inspirierten Schusterhandwerk, das die Fußgesundheit unterstützt und die Form der Funktion unterwirft, macht die Birkenstock-Coolness aus. Oder wie Oliver Reichert, Birkenstock-CEO und erster Mann an Spitze des Unternehmens, der nicht Birkenstock mit Nachnamen heißt, es formuliert: „Das Korkbett ist das Aspirin für die Füße. Das Produkt ist einfach gut. Man kann die Sandale hässlich, breit oder wie auch immer finden, aber sie funktioniert.“ 

 

Das Original „Madrid“

Das erste Modell der Birkenstock-Sandale kam 1963 als „Gymnastiksandale“ auf den Markt und ist bis heute kaum verändert als Modell „Madrid“ erhältlich. Es legte den Grundstein für das Wachstum des Unternehmens in den 70ern und ist heute das Lieblingsmodell der französischen Birkenstock-Fans, weiblich wie männlich.

BIRKENSTOCK'Madrid Oiled' Sandalen

 

Der Klassiker „Arizona“

Seit 1973 Teil des Birkenstock-Universums ist das Modell „Arizona“ mittlerweile DER Birkenstock-Klassiker, und der vielleicht demokratischste Schuh der Welt – getragen von Urgroßeltern bis Enkelkindern jeder modischen (und Mode verachtenden) Couleur. Grace Coddington, die legendäre Kreativdirektorin der amerikanischen Vogue, war unlängst Birkenstock-Kampagnengesicht in einem „Arizona“, den sie 1993 gekauft hatte. Und Frances McDormand übergab den Oscar für die Beste Hauptdarstellerin 2019 an Olivia Coleman in einem Paar „Arizonas“ aus einer Kooperation mit Valentino. Die Autorin trug ihr ersten Paar „Arizonas“ übrigens im Alter von etwa 10 Jahren, das bis jetzt letzte beim Verfassen dieses Artikels.

VALENTINOValentino x Birkenstock Pantoletten

 

Der Zehentrenner „Gizeh“

Ebenfalls in den 70ern entstanden ist das Modell „Gizeh“, benannt nach einer Stadt in Ägypten, wo Zehensteg-Sandalen eine Jahrtausende alte Tradition haben. Zusammen mit den Sandalenklassikern „Madrid“ und „Arizona“ ist es immer noch für 55% der verkauften Modelle verantwortlich. Zu den „Gizeh“-Fans zählt übrigens Kristina Blahnik, die seit 2010 das Schuh-Imperiums ihres Onkels Manolo leitet. Sie trägt ihr 2004 gekauftes Paar bis heute.

BIRKENSTOCK 'Gizeh' Sandalen

 

Der Pantoffel „Boston“

 

Das Modell „Boston“ erfreut sich seit 1977 steigender Beliebtheit. Vor kurzem zierte Kanye West das Cover der amerikanischen GQ in einem Paar. Und Schuh-Ikone Manolo Blahnik himself, trägt das Modell schon fast sein ganzes Leben. Ebenfalls Birkenstock-Kampagnengesicht, verriet er unlängst „In meiner Jugend, als ich viel reiste, waren sie meine Urlaubsschuhe erster Wahl. Ich kann mich noch gut an eine Reise nach Sizilien erinnern, wo ich in meinen Birkenstocks stundenlang auf Entdeckungstour ging und kilometerweit lief. Sie sind intelligent designt und wunderbar komfortabel.“

 

Rick Owens x Birkenstock 'Boston' Slipper

 

Der große Bruder „Ramses“ 

 

Ramses“ ist der große Bruder des „Gizeh“. Das etwas robuster wirkende Modell hat den gleichen bewährten Zehensteg aber im Unterschied zum Klassiker unter den Zehentrennern sind Riemen und Schnalle breiter.

BIRKENSTOCK 'Ramses' Sandalen

 

Die Rick-Owens-Kollektion „Babel“

 

Babel“ heißt die Kollektion von Rick Owens für Birkenstock. In ihr interpretierte der Avantgard-Designer verschiedene geschlossene und offene Birkenstock-Modelle, z.B. „Rotterdamm“ neu. Ziel war es, Komfort und Funktionalität der ikonischen Silhouette mit der charakteristischen Grunge-Ästhetik des Designers zu verbinden. Die Sandalen haben das klassisch geformte Latex-Fußbett mit Sohle aus EVA, sowie zwei Riemen mit Klick- und Klettverschluss.

RICK OWENS Rick Owens x Birkenstock 'Babel' Pantoletten

 

Die Kunststoff-Linie „EVA“

 

EVA (Ethylenvinylacetat) ist ein ultraleichter,  elastischer Kunststoff mit guten Dämpfungseigenschaften. Mit der EVA lancierte Birkenstock erstmals eine Reihe wasserfester Kunststoff-Varianten seiner Klassiker-Modelle „Arizona“, „Madrid“ und „Gizeh“. Alle EVA-Modelle sind aus einem Guss gefertigt und als Badeschuhe konzipiert. EVAs sind mittlerweile für 15 Prozent der 25 Millionen Paar Jahresproduktion verantwortlich.

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